Die Seenotretter: eine Spritztour über die Nordsee
Am vergangenen Sonntag war der “Tag der Seenotretter” an Nord- und Ostsee. Die DGzRS – die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger – stellt an der deutschen Nord- und Ostseeküste mit ihrer Flotte von 61 Schiffen auf 54 Stationen den Seenotrettungsdienst sicher. Die Seenotretter werden nur durch Spenden finanziert – es gibt keine staatlichen Fördermittel oder Unterhaltungen. Alleine dies ist schon eine Bemerkung wert. Seit 2009 bin ich Fördermitglied der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Auch wenn ich viele, viele Kilometer von Nord- und Ostsee entfernt wohne – durch zahlreiche Urlaube in Bensersiel seit meiner Kindheit fühle ich mich stark mit unseren beiden Meeren verbunden. Auch früher schon fand ich die DGzRS interessant und besuchte viele Stationen.
Beim “Tag der Seenotretter” in Horumersiel im Jahre 2009 wurden ich und einige Andere neue Fördermitglied bei den Seenotrettern. Als Dank durften wir auf dem Seenotrettungskreuzer “Vormann Steffens” von Horumersiel mit zurück zum Liegeplatz nach Hooksiel fahren.
Kurztrip
Die Geschichte
Ich bin mir sicher, dass einige von den Lesern im Moment vielleicht noch nie was von der DGzRS gehört haben – für diese ein kurzer Auszug aus der Geschichte. In den 1850er und 1860er Jahren stranden alleine vor den Inseln der deutschen Nordseeküste rund 50 Schiffe pro Jahr. In einem Appell an die Bevölkerung von einem Navigationslehrer und einem Advokaten wird die Gründung einer Organisation zur Rettung von Schiffbrüchigen gefordert. Im Jahre 1861 wird in Emden der erste derartige Verein gegründet und Rettungsstationen auf Langeoog sowie Juist eröffnet.
1865 erfolgt die Gründung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Kiel. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entwickelt sich die Technik stets weiter, sodass die Schiffe der DGzRS von nun an bestens ausgestattet sind, um Menschenleben in Gefahr aus meterhohen Wellen oder von brennenden Schiffen zu retten. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass die Natur eine unberechende Kraft ist und auch die beste Technik der Welt ihr unterlegen sein kann – zuletzt 1995, als die “Alfried Krupp” von Wellen überrollt wurde und zwei Seemänner während eines Einsatzes nicht wieder ans Festland zurückkehrten.
Die Seenotretter
Unterschieden wird bei der DGzRS, die ihren Hauptsitz in Bremen hat, zwischen Seenotkreuzern mit einer festen Besatzung, die zwei Wochen am Stück Dienst auf dem Schiff tut und einer ehrenamtlichen Besatzung auf den Seenotrettungsbooten, die ähnlich einer Freiwilligen Feuerwehr nebenbei bei den Seenotrettern arbeiten.
Jedes Jahr am letzten Sonntag im Juli gestaltet die DGzRS eine Art Tag der offenen Tür, den “Tag der Seenotretter”. Er bietet eine passende Gelegenheit, die wichtige Arbeit der Einsatzkräfte während der Hauptreisezeit den Touristen näher zu bringen – schließlich fallen die weißen Boote und Schiffe mit ihren Tagesleuchtfarben und dem roten SAR am Bug in jedem Hafen auf. Die Bekanntheit der DGzRS wird so weiter verbreitet, da am “Tag der Seenotretter” die Möglichkeit zur Schiffsbesichtigung (Open Ship) und Vorführungen im Hafenbecken über die Leistungsfähigkeit der Boote und Kreuzer sowie Übungen zur Menschenrettung stattfinden.
Die Fahrt
Für eine Mitfahrt gab es zwei Möglichkeiten – entweder oder.
Möglichkeit 1: man hat eine Fahrt mit dem Seenotrettungsboot “Baltrum” (Baujahr 1994, Länge 8,52m, Breite 3,12m, Tiefgang 0,93m, Verdrängung 5,5t, Leistung 220 PS, Höchstgeschwindigkeit 18 Knoten/33km/h) der Station Horumersiel oder dem Tochterboot der “Vormann Steffens”, der “Adele” (Länge 8,18m, Breite 2,80m, Tiefgang 0,83m, Leistung 180 PS, Höchstgeschwindigkeit 17 Knoten/31km/h) am Glücksrad gewonnen.
Möglichkeit 2: man wurde an diesem Tag Fördermitglied der Seenotretter. Ich entschied mich für die zweite Variante.
Zunächst einmal aber stand ich an der Mole der Hafeneinfahrt und beobachtete die Schiffe im Pendelverkehr: die “Baltrum” kehrt von einer Rundfahrt zurück, die “Adele” beginnt ihre Ausflugsfahrt für die glücklichen Gewinner des Glücksrades.
Nun ging es für mich an das Stationsgebäude am Hafen von Horumersiel. Den Antrag als Fördermitglied durchgelesen, ausgefüllt und unterschrieben – fertig, die Reise war gebucht. Einmal Horumersiel nach Hooksiel. Gegen Spätnachmittag, als der “Tag der Seenotretter” zu Ende ging, ging es für die glücklichen Fördermitglieder an Bord der “Vormann Steffens” (Baujahr 1989, Länge 27,50m, Breite 6,53m, Tiefgang 2,10m, Verdrängung 103t, Leistung 3.296 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 24 Knoten/44km/h), benannt nach der Familie Steffens aus Neuharlingersiel, aus deren Reihe Vor- und Rettungsmänner hervorgegangen sind.
An Bord das erste Foto, die Steuerbordseite des Seenotkreuzers. Noch ein wenig unsicher ging ich über das grüne, mit rutschhemmender Oberfläche versehene Deck.
Mittlerweile war das Tochterboot, die “Adele”, wieder im Heck aufgenommen worden. Im Hintergrund liegt die “Baltrum” an ihrem Platz, die hier seit 2004 ihren Heimathafen hat. Vorher lag sie – vom Namen her naheliegend – auf der Insel Baltrum, wo sie im Dezember 2004 durch die “Elli Hoffmann-Röser” aus der 9,5m-Klasse ersetzt wurde.
Der Vormann drehte unser Schiff im Hafen und fuhr langsam zurück Richtung Hooksiel, da die Ebbe eingesetzt hatte und der Seenotkreuzer sonst nicht mehr genügend Wasser unter dem Kiel gehabt hätte. Er steuerte die “Steffens” vorbei an den Yachten im Hafen von Horumersiel, während die “Baltrum” mit weiteren Glücksrad-Gewinnern erneut für eine kurze Rundfahrt vor uns herfuhr.
Ja, sie war es – die “Vormann Steffens” der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger der Station Hooksiel.
Hier noch einmal schwarz auf weiß (oder vielmehr schwarz auf gold): Baujahr 1989 mit der Nummer 6473 auf der ehemaligen Schiffs- und Bootswerft Schweers in Bardenfleth an der Weser. Die Lürssenwerft übernahm 2001 die Werft – zehn Jahre später, 2011, wurde der Standort Bardenfleth geschlossen.
Der Beweis, dass wir wirklich auf der Nordsee unterwegs waren: ein Blick zurück zur Küste. Trotz der Bewölkung kam die Sonne ab und zu durch.
Auf dem Weg weiter heraus aus der Hafenausfahrt begegneten uns weitere Schiffe: das altbekannte Seenotrettungsboot, die “Bora” und zwei weitere kleine Segelschiffe befuhren das Wasser in Küstennähe.
Während der Fahrt konnten wir uns fast überall aufhalten – draußen auf dem Deck, im unteren Fahrstand und den dortigen Räumen oder auf dem oberen Fahrstand. Ich wollte mir zunächst den unteren Fahrstand ansehen, ging in den Eingangsbereich, drehte mich um zum Tochterboot – und ging doch wieder nach draußen, da ich die “Baltrum” auf uns zukommen gesehen habe.
Kurz bevor ich einmal auf dem Deck um den Aufbau lief noch der Blick zur Küste in Richtung Horumersiel, von wo aus unsere kleine Reise nach Hooksiel startete.
Ein erneutes Bild der “Baltrum” – das Seenotrettungsboot fuhr wirklich im Pendelverkehr aus dem Hafen heraus und wieder hinein. In der Bildmitte sieht man den Leuchtturm Mellumplate, der sich östlich von Wangerooge befindet. Erbaut wurde er 1939 bis 1942 und ist seit 1943 in Betrieb. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Leuchtfeuer nur auf Anforderung gezeigt. Heute ist er nur noch ein Leitfeuer für die Schifffahrt, während er früher auch noch ein Quermarken- und Orientierungsfeuer ausstrahlte. Dieses wurde jedoch 1998 gelöscht. Das Feuer strahlt aus einer Höhe von 28 Metern, die Gesamthöhe des Leuchtturms Mellumplate beträgt 32 Meter. Oben befindet sich eine Hubschrauberplattform – ursprünglich wurde der Turm übrigens als Flak- und Scheinwerferturm genutzt.
Nachdem ich mich ein wenig der Landschaft und unserer Umgebung gewidmet habe, zurück zu unserem Fortbewegungsmittel, der “Vormann Steffens”. Mittlerweile war ich wieder am Heck angelangt, wo ein weiteres neues Fördermitglied auf Motivjagd beim Tochterboot war.
Für mich stand nun ein Besuch des unteren Fahrstandes an – schließlich möchte man auch gerne wissen wie das Schiff gesteuert wird. Zunächst einmal unsere Position auf See – zum Zeitpunkt des Fotos befanden wir uns auf 53°39.043 N, 08°04.250 E – kurz vor Hooksiel, mit Fahrtrichtung 139° und einer Geschwindigkeit von 10,8 Knoten (entspricht 20 km/h).
Rechts davon befindet sich ein Bedienpanel für die Motoren und das Sonar (blauer Bildschirm). Die Nordsee unter uns hat an dieser Stelle eine Tiefe von 13,8 Metern. Die Tasten ganz rechts steuern zum Beispiel die Blitz- und Morseleuchte. Auch die Seenotkreuzer und Seenotrettungsboote besitzen ein Blaulicht, genau wie die Fahrzeuge an Land.
Das Herzstück der Kommunikation: die benötigten Funkgeräte für den Kontakt mit dem MRCC Bremen (“Leitstelle” der Seenotretter) und anderen wichtigen Stellen für die Arbeit auf See. Aus Datenschutzgründen habe ich Frequenzen und Funkkanäle unkenntlich gemacht.
Mittlerweile ist unser Ziel, das Außenbecken des Hooksieler Hafens, in Sicht gekommen, denn die dortigen Windkraftanlagen sind bereits zu sehen.
Zusammen mit anderen neuen Fördermitgliedern liefen wir langsam, aber sicher “unserem” Heimathafen entgegen. Unten befindet sich der geschlossene Fahrstand, davor einige Abgänge für Schläuche zum Löschen von Bränden. Auf dem unteren Fahrstand sind zwei starke Suchscheinwerfer angebracht, darüber der obere und offene Fahrstand. Von hier aus hat man eine bessere Sicht auf die Umgebung, was gerade bei der Suche nach Vermissten und beim Anlegen im Hafen oder längsseits gehen zu Schiffen die Arbeit erleichtet. Als Schutz gegen das Überbordgehen ist ein Netz darüber angebracht.
Ich stieg die Leiter hinauf zum oberen Fahrstand, wo ein Besatzungsmitglied für Fragen der Mitfahrer bereit stand. Die Ausstattung ist fast wie eine Etage tiefer, nur eben wetterfest und robuster gebaut. An dieser Stelle ist die Nordsee übrigens 16 Meter tief.
Nach einem kurzen und informativen Aufenthalt auf dem oberen Fahrstand verschlug es mich wieder auf Deck. Der Wind wehte frisch, aber das Schaukeln hielt sich in Grenzen. Ein Blick Richtung Heck, wo unsere Fahrtstrecke noch sichtbar war.
Im Hafen von Hooksiel wurden wir dann bereits von unseren Angehörigen erwartet, denn um die Rückfahrt nach Horumersiel oder zur Ferienwohnung mussten wir uns selber kümmern. Dafür hatten wir die Möglichkeit, ohne in Not geraten zu sein mit einem Seenotkreuzer zu fahren.
Mein letztes Bild von Bord der “Vormann Steffens” zeigt das Tochterboot – ingesamt betrug die Zeit vom ersten bis zum letzten Bild an Bord rund 45 Minuten. Eine Zeit, die leider doch viel zu schnell vorbei ging. Für einen “Ausflug” war es ein schönes Erlebnis, welches mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Wann hat man schließlich die Möglichkeit so eine Fahrt zu machen – ohne aus Gefahr gerettet zu werden? Selten. Und wenn, dann am “Tag der Seenotretter” am letzten Sonntag im Juli. Aber auch eben nicht jedes Jahr mit der “Vormann Steffens”.
Und, zum Abschluss – die “Vormann Steffens” im Außenhafen von Hooksiel.
Ich möchte mich im Nachhinein noch einmal bei der Crew und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bedanken, die ihren neuen Fördermitgliedern diese Überfahrt als Dankeschön möglich gemacht hat. Allzeit eine gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!
Die Spende
Falls auch Sie Fördermitglied werden möchten, unter folgendem Link gibt es die Möglichkeit dazu: Fördermitglied werden
Falls Sie lieber eine einmalige Spende geben möchten, so gibt es hier mehrere Möglichkeiten um zu helfen: Spendenmöglichkeiten
Vielen Dank!
Pingback: Spendenaktion - gratis Syltkalender bestellen und Gutes tun - travelpicture24