Eltville, eine verträumte Stadt im Rheingau

Unter unseren Füßen das Kopfsteinpflaster, neben uns die Steinfassaden der Häuser, die seit einiger Zeit bereits hier ihren Platz haben. In der Luft schweben Duftmoleküle herum, die uns einen wohligen Duft in die Nase zaubern: es duftet zartrosa nach Flieder. Doch wo kommt der Duft genau her? Noch ist kein Fliederbaum zu sehen – erst nachdem wir dem Kopfsteinpflaster ein wenig folgen erscheint er am Wegesrand.

Romantische Gässchen

Romantische Gässchen

Hier, in den Gässchen, ist es bei mal bewölktem Himmel, mal Sonnenschein noch auszuhalten. Der Wind kann seine kühlen Kräfte nicht entfalten, erst ein paar Meter weiter am Wasser spüren wir die kalte Luft. Macht nichts – die nächste Wolkenlücke kommt und damit erreichen uns die wärmenden Sonnenstrahlen auch schon wieder. Von innen wärmt uns der Blick auf das Wasser, den Rhein – wärmend und entspannend zu gleich. So sehr, dass wir uns auf einer Bank an der Rheinpromenade niederlassen und für einige Minuten alles um uns herum vergessen.

Ein breiter Strom: der Rhein

Ein breiter Strom: der Rhein

Der Wind weht uns weiter um die Nase, der zarte Fliederduft ist mittlerweile verflogen – stattdessen erreicht unsere Nase nun ein anderer Geruch, zumindest fühlen wir es: den Duft der weiten Welt. Rheinabwärts mündet der zweitlängste Fluss Deutschlands mit seinen insgesamt 1048 Kilometern bei Rotterdam in die Nordsee. Von hier aus steht einem die Welt offen, ob Europa, Amerika oder Asien. Ob diese Enten schon etwas von der weiten Welt gesehen haben?

Rotterdam? Bitte dem Rhein folgen!

Rotterdam? Bitte dem Rhein folgen!

Aber in Rotterdam, geschweige denn in Amerika oder Asien sind wir nicht. Nein, wir sind auch weiterhin in Deutschland, in der Nähe von Rheinkilometer 511, an der Rheinpromenade in Eltville am Rhein – und damit gerade noch in Hessen. Nur einen Steinwurf entfernt, einmal über den Fluss, befindet sich schon Rheinland-Pfalz. Irgendwie so nah, aber doch so fern. Kein Wunder, warum man früher einfach Flüsse als natürliche Grenzen genommen hat.

Sowohl hier als auch drüben, auf beiden Seiten befindet sich eines der bekanntesten Weingebiete in Deutschland: der Rheingau. Die Weinberge befinden sich etwas nördlich von Eltville und der B42. Bereits auf der Anfahrt aus Richtung Wiesbaden sind Berge zu sehen, die wie auf Knopfdruck plötzlich von Weinreben durchzogen sind. Für uns, kommend aus einer weinfremden Gegend, ein toller Anblick. Genossen werden kann der Wein zum Beispiel direkt hier am Ufer, im Weinhaus Krone.

Weinhaus Krone am Eltviller Rheinufer

Weinhaus Krone am Eltviller Rheinufer

Typisch für das romantische und verträumte Städtchen sind die niedlichen Gässchen: jede Gasse hat ihren eigenen Charme – kulinarisch, von Vegetation durchzogen, Zusammenhänge mit Wein und Trauben. Immer zu spüren – die Romantik, die Eltville versprüht. Egal ob in Form von olfaktorischen oder optischen Reizen.

Alte Fachwerkhäuser in der Altstadt

Alte Fachwerkhäuser in der Altstadt

"Osteria Piccolo Mondo"

“Osteria Piccolo Mondo”

Mal ganz unter uns: die Altstadt ist einfach ein Traum. In Gedanken stelle ich mir vor, wie die Straßen nicht von modernen Autos gesäumt sind. Nein, in Gedanken stehen hier gerade VW Käfer, Oldtimer von Mercedes-Benz, kleine italienische Zweisitzer – gepaart mit dem schnuckeligen Aussehen der süßen Häuschen. Ironischerweise hängt ein paar Straßen entfernt ein Plaket, welches auf einen Fotowettbewerb hinweist. Thema? “Das schönste historische Foto aus dem Rheingau” – was für ein Zufall.

In der Fußgängerzone werden wir dann zurück ins Hier und Jetzt gerufen. Bunt, belebt – nur noch die Häuser erinnern an die Geschichte, die Geschäfte dagegen an heute.

Fußgängerzone Eltville

Fußgängerzone Eltville

Vom Flair des Rheingaus angesteckt schlendern wir weiter. Fachwerkhäuschen hier, Fachwerkhäuschen dort – mal in gutem Zustand, mal bereits ein wenig in die Jahre gekommen. Eigentlich wollten wir hier in Eltville übernachten, doch es war bereits alles belegt. Auch das Weinhotel Koegler stand auf unserem Plan – zentral und ruhig in der Altstadt gelegen.

Weinhotel Koegler in Eltville

Weinhotel Koegler in Eltville

Wir schreiten weiter über das Kopfsteinpflaster in der Kirchgasse und lassen uns einfach so durch die Straßen treiben. Mal nach links, mal nach rechts, mal hier entlang. Einfach so. Selten, dass ich so orientierungslos irgendwoher gelaufen bin. Einzig das Wissen, dass es in die eine Richtung zum Rhein geht – mehr führte uns in diesem Moment nicht mehr durch Eltville.

Das "Inselhaus" zwischen Kirchgasse und Ellenbogengasse

Das “Inselhaus” zwischen Kirchgasse und Ellenbogengasse

Weingut Langwerth von Simmern

Weingut Langwerth von Simmern

Weinstube Gelbes Haus (rechts)

Weinstube Gelbes Haus (rechts)

So ist es dann auch: das Wasser des Rheins zieht uns an, bis sich die Kurfürstliche Burg uns in den Weg stellt. Früher wohnten hier die Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz, heute kann man sich hier trauen lassen, in die Eltviller Geschichte eintauchen oder einen Blick vom Burgturm werfen. Wir bleiben jedoch unten und schauen uns den Burggarten mit vielen Rosenarten an, die leider noch nicht blühen. Nur der zartrosane Fliederduft verteilt sich wieder in unserer Nase.

Kurfürstliche Burg Eltville

Kurfürstliche Burg Eltville

Blick in den Burggarten

Blick in den Burggarten

Burggarten in Rheinnähe

Burggarten in Rheinnähe

Der Hunger treibt uns in Richtung Rheinpromenade. Mittlerweile haben sich die Wolken ein wenig verzogen und haben dem Blau des Himmels Platz gemacht, der Wind hat sich allerdings noch nicht gelegt. Im “Anleger 511” mit der wahrscheinlich nahsten Rhein-Sitzgelegenheit lassen wir uns auf der Terrasse nieder – es tut so gut, die Beine mal ein wenig baumeln zu lassen.

Während wir auf unsere Bestellung warten, lauschen wir den Gesprächen der anderen Gäste. Neben deutschen Gästen haben sich auch an zwei Tischen Gäste aus Frankreich eingefunden, mit Deutschland-Karte auf dem Tisch. Mit Eltville haben sie sich ein schönes Ziel ausgesucht. Dann kommt auch unsere Bestellung an: Bratwurst mit hausgemachter Currysauce und Brötchen, dazu drei Sorten Curry: gelbes, oranges und pinkes Currypulver zum Selberwürzen. Vielen Dank, “Anleger 511” – genialer Geschmack! Dazu gibt es Weinschorle direkt vom Winzer vor Ort.

Blick nach Verlassen des "Anleger 511"

Blick nach Verlassen des “Anleger 511”

Windgeschützt und am Rhein entlang führt uns nun ein kleiner Verdauungsspaziergang. Das erste Mal an diesem Tag können wir die Jacke aufmachen – fühlt sich gut an, dieser kleine Vorgeschmack auf einen hoffentlich warmen Sommer! Plötzlich bewegt sich etwas neben uns, zischt mit Tempo vor unseren Füßen her und klettert geschwind die Mauer neben uns hinauf. Was war das? Eine Eidechse!

Flink und wendig: eine Eidechse

Flink und wendig: eine Eidechse

Ganz so schnell gehen wir jedoch nicht, wozu auch? Wir haben frei, keine Hektik, wir entfliehen unserem Alltag von zuhause für zumindest eine Nacht – unsere Heimat ist zweieinhalb Fahrstunden entfernt. Kein Gedanke füllt sich in diesen Momenten mit Bildern von zuhause. Nein, stattdessen schlendern wir langsam und entspannt am Rhein entlang, der sich auch langsam seinen Richtung Nordsee sucht. Vor uns der lange Weg rheinaufwärts, hinter uns Eltvile, neben uns die Kurfürstliche Burg – so sieht unsere Flucht aus dem Alltag aus.

Kurfürstliche Burg vom Rheinufer aus

Kurfürstliche Burg vom Rheinufer aus

Den Entspannungshöhepunkt jedoch erleben wir noch, denn ein paar Meter weiter befindet sich die Burg Crass, welche auch Schloss Rheinberg genannt wird. Heute gehört es der Sektkellerei Schloss Vaux, die hier eine Gaststätte mit Hotel betreibt. Unsere Flucht aus dem Alltag wird hier, direkt neben dem Rhein, ein schönes Plätzchen finden. Im Garten, der einer kleinen Parkanlage gleicht, versprüht erneut ein rosablühender Fliederbaum seinen betörenden Duft – traumhaft. Mehrere kleine Holzquadrate zwischen grünem Gras und ruhig daherfließendem Rhein laden zum Verweilen ein.

Burg Crass

Burg Crass

Blick aus dem Garten auf den Rhein

Blick aus dem Garten auf den Rhein

Wir zögern nicht lange. Jacken aus – windgeschützt und in praller Sonne sind sie überflüssig. Das Holz ist angenehm warm. Nur einige Vögel, ein paar Flugzeuge vom Frankfurter Flughafen und die vorbeifahrenden Radfahrer auf dem Weg unter uns – mehr ist nicht zu hören. Von oben strahlt die Sonne herab, wir schließen die Augen – so fühlt sich also Entspannung an. Traumhaft. Angenehm. Wie lange wir hier liegen – ich weiß es nicht. Fünf Minuten, zehn Minuten, fünfzehn Minuten…keine Ahnung. Aber es fühlt sich gut an. Richtig gut. Richtig erholsam gut.

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