Der ehemalige Flughafen Berlin-Tempelhof – Laufen auf der Landebahn
Es gab Zeiten, da waren in Berlin drei große Flughäfen in Betrieb: Tegel (TXL, “Otto-Lilienthal”), Schönefeld (SXF) und Tempelhof (THF). Letzterer wurde am 30. Oktober 2008 geschlossen und in einen Stadtpark umgewandelt – der Flugverkehr der Hauptstadt wird seitdem nur noch über Tegel und Schönefeld abgewickelt.
Bekannt wurde der ehemalige Flughafen Tempelhof vor allem durch die Berliner Luftbrücke in den Nachkriegsjahren 1948 und 1949. Die Westalliierten nutzten den zentralen Landeplatz, um die Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dingen auszustatten – Nahrung, Versorgungsgüter, Brennstoffe. Ins Leben gerufen wurde die Luftbrücke, weil Straßen- sowie Eisenbahnverbindungen Richtung West-Berlin durch die sowjetischen Besatzer blockiert wurden.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts beginnt die Zeit des Flughafen Tempelhofs, der heute im Rahmen des Städtebauprojektes “Tempelhofer Freiheit” bekannt ist und auf dessen geschichtsträchtigem Gelände ich mich jetzt befinde. Auf dem 355 Hektar großen ehemaligen Flugfeld ist der größte Stadtpark Berlins entstanden und bietet verschiedenen Freizeitaktivitäten Platz. Die beiden Start- und Landebahnen 09R/27L bzw. 09L/27R sind Sportstätte für Jogger, Radfahrer, Inline Skater und andere Trendsportler, in abgetrennten Bereichen sind Hundeauslaufzonen eingerichtet und Grillzonen entstanden. Geöffnet hat der Tempelhofer Park, der im Rahmen des ähnlich klingenden Projektes entstanden ist und kostenlos betreten werden kann, täglich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Wer mag kann sich das denkmalgeschützte Abfluggebäude im Rahmen von verschiedenen Führungen ansehen – so wie es Janet von teilzeitreisender getan hat.
Als ich das Gelände betrete bin ich erst einmal überrascht – es ist größer und weitläufiger als ich es mir vorgestellt habe. Auf einer Karte verschaffe ich mir einen ersten Überblick, denn mein Plan ist ehrgeizig: zunächst über die 09R laufen, bis ans andere Ende des Flughafens – von dort dann die 27R zurück, Richtung Terminal. Wie lange ich dafür brauchen werde? Keine Ahnung. Die gerade Asphaltpiste scheint überhaupt nicht mehr aufzuhören – Markierungen in hellroter Farbe geben zwar an, wie viele Minuten man bis ans andere Ende der Landebahn benötigt…aber nur für Fahrradfahrer, Inline Skater und Jogger.
“Vielleicht hätte ich mich im Vorfeld informieren sollen wie lang die Bahn ist”, denke ich mir. Doch trotz Smartphone-Zeitalter schaue ich nicht nach, sondern lasse mich später überraschen. Am Ende werde ich positiv überrascht sein, denn ich hatte schon die Befürchtung, dass beide Bahnen Längen von 3000 Metern und mehr aufweisen – was jedoch nicht der Fall ist.
Links von mir, quasi in Richtung Norden, habe ich einen treuen Begleiter gefunden: den Berliner Fernsehturm. Mal gut sichtbar, mal teilweise verdeckt von Kirchtürmen, aber trotzdem immer an meiner Seite als ich die Piste entlang laufe.
Ein unendlich langer Weg scheint zu Ende zu gehen, als ich das Ende der Bahn 09R erreiche und die Markierung 27L lesen kann – geschafft. Für die Strecke habe ich – mit Fotopausen – rund 20 Minuten benötigt und festgestellt, dass so eine Landebahn zu Fuß wirklich lang zu sein scheint, aber je nach Flugzeugtyp auch arg kurz sein kann. In mir kommt ein imaginärer Vergleich zum Flughafen Frankfurt hoch: wenn man dort entlang laufen könnte, dann hätte ich gerade erst einmal die Hälfte geschafft. Wow…
Als ich über den Rollweg hinüber zur 09L/27R schlendere, zwängt sich mir ein weiterer Gedanke in den Sinn – war es wirklich eine so gute Idee? Meine Füße machen sich nach drei Tagen Berlin bemerkbar: zwei Tage ITB, ein Tag Sightseeing in der Innenstadt…und jetzt mindestens vier bis fünf Kilometer über stillgelegte Startbahnen laufen. Neidische Blicke wandern umher – was gäbe ich jetzt für ein paar Inline Skates, um mich einfach mal ein paar Meter rollen lassen zu können. Eine Pause kommt für mich nicht in Frage, ich muss weiter. In ein, zwei Stunden wollte ich den Rückweg antreten – rund fünf Stunden Fahrt liegen schließlich noch vor mir.
Die Überquerung der parallel gelegenen Bahn verläuft etwas schneller, obwohl meine Beine schwerer und schwerer werden. Trotzdem lasse ich mir den Umweg Richtung Vorfeld und Terminalgebäude nicht nehmen – wer weiß, wann ich das nächste Mal hier sein werde. Der Radarturm wird größer, das Gebäude rückt näher..doch ein Zaun trennt Vorfeld und Rollweg. Die Maschen sind groß genug, um das Objektiv hindurchzustecken.
Dann habe ich es geschafft – ich stehe am Anfang der 09L und kann einen Haken hinter mein gedankliches Projekt machen: ein Foto von jeder einzelnen Start- und Landebahnnummerierung gemacht zu haben. Ich ertappe mich bei dem Gedanken “…eigentlich eine blöde Idee…” – dennoch hat sie mich angetrieben, den weiten Weg hin und zurück zurückzulegen. Beruhigt kann ich mich zurück zur U-Bahn begeben, zurück zur Wohnung, zurück zum Auto – und zurück nach Hause.
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