Unter der Decke der Wiener Karlskirche
Wer an Wien denkt, der denkt wahrscheinlich zuerst an den Stephansdom. Nicht nur weil er sozusagen stellvertretend für die Donaumetropole steht, sondern auch, weil ihn fast jeder von uns bereits einmal in den Händen hielt: als Prägung auf der österreichischen 10-Cent-Münze. Dabei gibt es noch eine Menge anderer Kirchen in Wien: wikipedia kennt über 230 verschiedene Kirchengebäude in der Stadt.
Neben dem Stephansdom ist auch die Karlskirche ziemlich bekannt. Sie befindet sich am Karlsplatz in der Nähe der Technischen Universität und ist eine römisch-katholische Pfarrkirche. Kaiser Karl VI. gab sie nach der letzten großen Pestepidemie 1713 in Auftrag, als Kirche für den Pestheiligen Karl Borromäus.
Johann Bernhard Fischer von Erlach gewann den ausgeschriebenen Architekturwettbewerb, sodass im Jahre 1716 die Grundsteinlegung erfolgte. Sein Sohn Joseph Manuel vollendete die Karlskirche letztendlich 1737, nachdem Johann Bernhard Fischer von Erlach 1722 starb. Das Ziel, die geplante Kirche als Verbindung zwischen Byzanz und Rom zu gestalten, wird an ihrem Erscheinungsbild deutlich: links und rechts befinden sich Säulen, die die Trajansäule in Rom als Vorbild haben. Einflüsse aus Byzanz (genauer: der Hagia Sophia) werden in der Gesamtgestaltung ersichtlich: Säulen und zusätzlich eine Kuppel über dem Kirchenschiff.
Trotz des Vorbilds aus Nahost bleiben die Einflüsse der damaligen Epoche – des Barocks – unübersehbar: prachtvolle Verzierungen an Säulen, an der Decke und am Giebel. Die römisch-katholische Kirche versuchte in dieser Zeit der Machtsteigerung und der Gegenreformation, ihre Gläubigen zurückzugewinnen – in erster Linie durch Prunk, wie er eben auch an der Karlskirche zu sehen ist.
Für acht Euro Eintritt (beziehungsweise “Erhaltungsbeitrag”) darf man das Innere betreten. Dazu gibt es einen Flyer des “Verein Karlskirche“, der sich um den Erhalt und die Renovierung kümmert. Mit im Preis inbegriffen ist der Eintritt in das Museo Borromeo sowie in das Museo Nuovo, die sich in einem anderen Abschnitt der Kirche befinden – und die Fahrt mit dem Panoramalift.
Wie anfangs erwähnt, ist die Kirche nach dem Pestheiligen Karl Borromäus benannt. Sein erfolgreiches Wirken als Vertreiber der Pest zeigt sich unter anderem im Hochaltar: dargestellt ist der Aufstieg Karls in den Himmel. An den Seiten befinden sich noch weitere kleinere Altäre, einer zeigt die Heilige Elisabeth von Portugal, wie sie Geschenke an Mittellose verschenkt. Erschaffen wurde dieses Gemälde von Daniel Gran, der zu den wichtigsten österreichischen Malern des Barock zählt.
Die Sehenswürdigkeit schlechthin in der Karlskirche dürfte jedoch das Fresko sein, das 1725 (1726 nach anderen Quellen) bis 1730 von Johann Michael Rottmayr auf der Innenseite der Kuppel gemalt worden ist und eine Fläche von mehr als 1200 m² einnimmt. Es zeigt Maria, wie sie um die Abwendung der Pest bittet, begleitet von den drei Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung.
2002 wurde im Inneren der Kirche ein Lift und eine Plattform errichtet, um die Deckenfresken restaurieren zu können. Zunächst plante man, den Aufzug Ende 2005 wieder abzubauen und in dieser Zeit den Besuchern eine Möglichkeit zu geben, sich die Arbeit der Restauratoren sowie das Kunstwerk aus nächster Nähe anzusehen. Heutzutage befinden sich Plattform und Panoramalift noch immer an Ort und Stelle – zugegeben, es hat schon den Eindruck, als befinde sich mitten im Kirchenschiff eine Baustelle – und ermöglicht faszinierende Blicke auf das riesige Gemälde.
Zur Konstruktion darf jeder seine eigene Meinung haben – die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Ich finde es eine einmalige Gelegenheit, die Karlskirche aus einer anderen Perspektive zu sehen und schaue gerne über das doch improvisiert erscheinende Gerüst mitten im Chor hinweg. Zwar wird das Gesamtbild etwas in Mitleidenschaft gezogen, aber für mich war und ist das Kuppelfresko der Grund, warum man sich den barocken Kirchenbau von innen ansehen sollte.
Bis auf 32 Meter Höhe führt der Lift, bevor man auf eine leicht wacklige Plattform tritt. In der Mitte geht es über eine Treppe bis in die Spitze der Kuppel, die eine Gesamthöhe von 70 Metern aufweist. Für manchen erfordert es vielleicht eine gewisse Überwindung, doch den Fresken so nah zu sein und sich das Kunstwerk aus nächster Entfernung anzusehen ist schon etwas beeindruckendes und rechtfertigt den Eintrittspreis. Wer allerdings einen uneingeschränkten Rundumblick auf Wien erwartet, wird enttäuscht: ein engmaschiges Metallnetz verhindert, dass Tauben hindurchfliegen können – und die Blicke ungehindert nach draußen dringen können.
Wieder zurück auf dem Boden im Kirchenschiff und damit am Ende meines Rundgangs – ein Blick zur schön beleuchteten Orgel, deren Erbauer unbekannt ist. Sie stammt aus der Zeit um 1740 herum und wurde 1847 unter anderem um zwei Seitenteile erweitert. Der Verantwortliche hierfür war Joseph Seyberth. Eine Renovierung der Orgel wurde 1989 durchgeführt, mehr als 140 Jahre nach der letzten Überarbeitung der Orgel.
Die Karlskirche ist eben schon älter, auch wenn sie ein fast makelloses Erscheinungsbild besitzt. Nicht zuletzt auch wegen des “Verein Karlskirche”.
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