Sonniger Samstag in Hessisch Lichtenau

Es ist Samstag, die Sonne lacht vom nahezu blauen Himmel hinab auf Hessisch Lichtenau. Die Temperatur bewegt sich um die 2 Grad über dem Gefrierpunkt, doch im Sonnenschein ist es deutlich angenehmer. Endlich Sonne! Nach dem dunkelsten Winter seit flächendeckenden Wetteraufzeichnungen im Jahre 1951 verwöhnt die Sonne das kleine Städtchen im Werra-Meißner-Kreis.

Doch trotz Sonne ist mir nicht zum Lachen zu Mute. Ich kämpfe. Ich kämpfe mit mir. Und meinem inneren Schweinehund. Jetzt stehe ich hier. In Hessisch Lichtenau, meinem “Zweitwohnsitz” während der schulischen Ausbildung. Vor mir: ein weiterer Gegner, der Hauptgegner. Schwer, groß, rot und seit Minuten und Stunden in bester (Kampf)Laune.

Gedanken gehen mir durch den Kopf: “Oha.” Und: “Soll ich, oder soll ich nicht?” Oder: “Was wäre wenn?” Aber auch: “Ein besseres Wetter als jetzt gibt es nicht. Windstill, Sonnenschein, blauer Himmel.” – was soll ich nur tun?

Ich wage es. Schnappe mir meine Kamera, stelle mich der Angst. Augen zu und durch – naja, Augen eher doch nicht zu. Ich möchte ja etwas sehen. Unter uns: Die erhoffte Aussicht – der Grund, warum ich dann doch einsteigen möchte. Lege den Gürtel um, so wie ich es damals gelernt habe. Zurre ihn fest – richtig fest. Es soll nichts passieren. Klettere die drei kleinen Stufen hoch, werde mit dem Gürtel am Geländer gesichert.

Mein Adrenalinspiegel steigt weiter. Das tut er eigentlich schon seit ich vor meinem Hauptgegner stehe. Der Einstieg wird geschlossen, fünf Sekunden später höre ich das Aufheulen des Motors und verspüre einen Ruck. Es geht aufwärts. Mit meiner linken Hand kralle ich mich förmlich am Geländer fest. Sie wird es nicht loslassen, bis ich wieder am Boden bin. Es ruckelt weiter. Mal mehr, mal weniger stark. Das Adrenalin strömt durch meinen Körper und ich denke mir nur “Warum?”. Für weitere Gedanken bleibt keine Zeit. Mit meiner rechten Hand, in der sich die Kamera befindet, knipse ich mehr oder weniger zielgerichtet umher. Hauptsache Bilder machen, möglichst nicht verwackeln oder mit falschen Einstellungen.

Vor Aufregung kann ich gar nicht auf den Monitor schauen. Bitte, bitte – lass die Bilder etwas geworden sein. Wie angewurzelt stehe ich auf meinem Platz, kann die Füße kaum bewegen. Nur mein Oberkörper dreht sich ein wenig hin und her – am meisten bewege ich allerdings nur den rechten Arm mit der Kamera in der Hand. Bilder, Bilder, Bilder. Plötzlich ruckelt es erneut, etwas stärker als die ersten Male. Erschrocken halte ich mich noch mehr am Geländer fest.

Eigentlich kann nichts passieren – ich bin ja gesichert. Doch daran denke ich nicht. Kein einziger Gedanke wird in diesem Moment hieran verschwendet. Mittlerweile beginnt sich die Welt zu drehen, ohne dass mir schwindelig ist. “Alles in Ordnung”, denke ich mir. “Alles in Ordnung…”

Ein weiterer Ruck reißt mich aus meinen Gedanken. Fast unbemerkt habe ich die Stange wieder fester umgriffen. Sie ist quasi meine Rettung, mein Haltepunkt. Irgendwann traue ich mich dann doch einmal, mich etwas umzudrehen. “Aha, so siehts hier also eigentlich aus” – das war mein Gedanke. Schnell noch ein paar Bilder gemacht – wieder die gleichen Gedanken wie zuvor: “Bitte, bitte – lass die Bilder etwas geworden sein.”

Dann ist alles vorbei. Der Einstieg wird geöffnet und somit zum Ausstieg. Ich löse meine Sicherung am Geländer, verstaue die Kamera sicher in der Jackentasche und zwänge mich über die drei Stufen hinaus. Nun stehe ich also wieder hier. In Hessisch Lichtenau, bei etwas mehr als 2 Grad über dem Gefrierpunkt, strahlend blauem Himmel und schönstem Sonnenschein. An das Erlebte erinnern nur noch die Fotos auf der Speicherkarte und meine zitternden Beine. Dazu die Erkenntnis, dass meine Englischlehrerin Recht hatte: “white knuckle ride” als Synonym für “Achterbahnfahrt”.

 

Hessisch Lichtenau im März

Hessisch Lichtenau im März

Blick über Hessisch Lichtenau

Blick über Hessisch Lichtenau

Blick über Hessisch Lichtenau - Zentrum

Blick über Hessisch Lichtenau – Zentrum

Blick über Hessisch Lichtenau

Blick über Hessisch Lichtenau

Blick über Hessisch Lichtenau - Spedition und Hoher Meißner

Blick über Hessisch Lichtenau – Spedition und Hoher Meißner

Hoher Meißner

Hoher Meißner

Blick zur Sonne

Blick zur Sonne

Evangelische Stadtkirche Hessisch Lichtenau

Evangelische Stadtkirche Hessisch Lichtenau

Im Schatten des Hauptgegners

Im Schatten des Hauptgegners

Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Hessisch Lichtenau

Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Hessisch Lichtenau

Blick nach oben Richtung Drehleiterkorb

Blick nach oben Richtung Drehleiterkorb

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