Mein erstes Kennenlernen mit Sylt
Lange habe ich auf diesen Moment gewartet, auf ihn hingefiebert. Gerade noch pünktlich erreiche ich mein Ziel, die Autoverladung des SyltShuttles in Niebüll. Nur zwei, drei Minütchen später – und ich hätte erst in einer Stunde auf die Insel gekonnt. Nein, so lange wollte ich dann doch nicht warten und habe mich beeilt. Hinter einem Fiat Panda reihe ich mich als letztes Fahrzeug auf dem unteren Deck des noch längst nicht vollen Autozugs ein und warte auf die Abfahrt. Für mich ist es die erste Fahrt hiermit, die ältere Dame mit ihrem Fiat neueren Baujahres und NF-Kennzeichen ist allem Anschein schon routinierter.
Kaum merklich setzt sich die Lokomotive ganz am Anfang in Bewegung, sie muss merklich kämpfen, um die Massen hinter sich herzuziehen. Doch wenn sie rollt, dann rollt sie – und kommt in der Regel erst im Bahnhof von Westerland wieder zum Stillstand. Bis dahin sind es gute 35 Minuten Fahrt. 35 Minuten Fahrt, die so vielfältige Landschaften beinhalten wie ich sie selten gesehen habe. Zunächst noch typische ländliche Idylle, die letzten Häuser von Niebüll, vorbei an Klanxbüll, zwischendrin immer wieder wartende Autos an Bahnschranken, später nur noch Bauernhöfe links und rechts der Bahnstrecken, dazu große, sich drehende Windkraftanlagen.
Mit jedem zurückgelegten Kilometer nähert sich Sylt: erst nur als schmaler Streifen am Horizont erkennbar, der größer und größer wird. Die grünen Streifen entlang der Strecke formen sich zu Deichen, dahinter mal das Wattenmeer, mal die Nordsee – wechselhafte Ansichten bei der Überfahrt. Selbst wenn man täglich zur selben Zeit das SyltShuttle nutzt: die Momente werden sich niemals wiederholen, jeder Moment mit jeder Überfahrt ist ein Unikat, eine einmalige Momentaufnahme. Ich habe Glück – sowohl zur Fahrer- als auch zur Beifahrerseite sehe ich die Nordsee. Es ist Flut. So wie ich es mir bei meinem ersten Kennenlernen mit Sylt gewünscht habe.
Mittlerweile befinde ich mich auf dem 11,3 Kilometer langen Hindenburgdamm. Nach vier Jahren Bauzeit wurde er am 1. Juni 1927 durch den damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg eröffnet und 1972 um eine zweite Bahngleise erweitert. Auf einer von beiden befinde ich mich nun und brause unentwegt meinem Ziel entgegen welches näher und näher kommt. Sylt ist greifbar wie nie und wird größer und größer. Nach wenigen Minuten erreiche ich das Festland der Insel, das Nordseewasser ist verschwunden, stattdessen wieder Wiesen, die ersten Häuser und die ersten Ortschaften – allen voran Kleinmorsum. Durch Einschnitte, aber auch offene Flächen führt die Strecke, mehr und mehr Häuser gesellen sich hinzu. Das SyltShuttle wird langsam langsamer, mehr und mehr Gleisen, andere Züge und Bahnanlagen sind zu sehen – willkommen in Westerland!
Schon kurz nach dem Halt geht der Entladevorgang los, Auto um Auto um Auto um Auto verlässt den Autozug, stets begleitet mit dem Poltern der weiteren Autos über mir. Endlich bin auch ich an der Reihe – und meine Bekanntschaft mit Sylt beginnt!
Schlüssel für das Appartement abholen, zurück nach Westerland und hinein in die gute Stube – beeindruckt von der Schönheit meiner Unterkunft der nächsten vier Nächte bleibe ich erstmal kurz im Sessel sitzen, lasse alles auf mich wirken. Die ersten Eindrücke, die Seeluft, das Klima. Diese 33 Quadratmeter im “Weißen Haus am Meer” werden für die nächsten fünf Tage mein Zuhause sein.
Nach dem Einräumen hält es mich nicht mehr lange in den eigenen vier Wänden, ich muss raus. Das rauschende Meer, welches ich bei offenem Fenster leise hören kann, zieht mich an. Zweimal abbiegen, dann nur noch die Straße geradeaus weiter – und nach wenigen Metern finde ich mich am Strand wieder, der von der Nordsee eindrucksvoll mit Wellen überrannt wird. Der Himmel färbt sich bereits leicht in ein sonnenuntergangsorangerot, die dicke schwarze Wolke wird sich noch verziehen und den Blick auf meinen bislang nördlichsten Sonnenuntergang freigeben.
Ich laufe am Strand entlang, lausche den Wellen, dem Sand, dem Wind, den Möwen. Denke nach, beobachte. Viele Menschen spazieren noch nicht über den teilweise gefrorenen Sand, für das klassische Nordseefeeling fehlen nicht nur ein paar Grad auf dem Thermometer, nein, auch die Strandkörbe fehlen noch. Erst im Frühjahr werden sie wieder an den Strand gebracht. Mittlerweile befindet sich die Sonne knapp über dem Horizont in einer Wolkenlücke, über ihr ein dicker Streifen einer schwarzen Wolke. Vor mir einige Möwen, die in den letzten Sonnenstrahlen über den Sand watscheln, um kurz darauf in die Lüfte zu entschwinden als ihnen ein Kind zu nahe kommt.
In Höhe der Friedrichstraße entschwinde ich dann auch vom Sandstrand und steige die Treppen zur Promenade hinauf. Auf Höhe des Erlebnisbades “Sylter Welle” zieht es mich zurück in die Straßen von Westerland, das Meeresrauschen wird leiser, aber es ist noch zu erahnen. Auch hier herrscht teilweise noch Winterschlaf, nur in wenigen Fenstern brennt bei einsetzender Dämmerung Licht. Durchgefroren kehre ich schließlich in die Wohnung zurück und schalte ebenfalls das Licht ein. Mein erstes Kennenlernen mit Sylt war kalt, aber herzlich – die Luft ist klasse, das Meer aufregend und beruhigend zugleich, der endlose Strand herrlich zum gedankenvollen und gedankenlosen Nachdenken. “Hallo Sylt, es ist gut bei dir zu sein”, denke ich mir.
Vielen Dank an die Sylt Marketing GmbH für die Unterstützung bei dieser Reise. Alle Erlebnisse und die daraus entstandene Liebe zur Insel bleiben hiervon unberührt. Solltet ihr euch auch zur Insel verbunden fühlen, dann kann ich euch auch den Blog der Insel Sylt empfehlen.
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